Nachdem ich meine Schamesröte abgelegt, Janine sich angezogen und ich mich zwischen vier und acht Millionen Mal entschuldigt hatte, frühstückten wir. Interessanterweise, nachdem ich nicht mehr ganz so beschämt war, war ich eigentlich ganz locker. Auch wenn ich es mir nicht erklären konnte, mit Janine am Tisch zu sitzen und zu essen gab mir ein absolut freies Gefühl. Ich weiss nicht, wie ich es beschreiben soll, aber es war so, als könnte ich mich einfach nicht falsch verhalten, während ich doch normalerweise bei nahezu jeder Aktion erst überlegte, ob das eine gute Idee war, ob ich damit eins der Mädels vielleicht gegen mich aufbringen konnte und ähnliches. Mit Janine war es anders. Ich liess auch lockere Sprüche fallen, ärgerte sie und einmal kniff ich ihr sogar in den Arm.
Sie hatte auch jede Menge Spass und meinte, wenn man nur angekotzt werden müsse, um Spass zu haben, dann hätte sie das schon früher ausprobiert. Sofort war mir das alles wieder super peinlich und ich versuchte mich zu entschuldigen, doch sie wehrte sofort ab und meinte, sie hätte schon weit schlimmeres erlebt. Ich sei wenigstens ehrlich gewesen, während viele Kerle einem ja die schönsten Sachen zuflüstern, hinterher dann aber doch Arschlöcher sind.
Warum musste ich da nur wieder an Roman denken? Es war an der Zeit, Janine nach ihrer Meinung zu fragen.
»Sag mal, was denkst du jetzt wirklich über Roman?«
»Tony komm schon! Warum dauernd Roman? Du hast mich gestern mindestens zehn Mal danach gefragt.«
»Und alle zehn Antworten habe ich vergessen. Also? Noch einmal. Bitte!«
»Gut, dann noch einmal. Roman ist eine Wucht! Ich hatte noch nie so eine glückliche Zeit, wie mit ihm und was er im Bett drauf hat, davon träume ich oft!«
Da war es ja schon wieder! Ich erinnerte mich noch genau, welche Worte sie damals für Roman hatte, als er sie einfach wegwarf, weil ihm eine in der Kneipe schöne Augen gemacht hatte. Meine Güte, sie hatte da Worte auf Lager, wenn ich die hier aufschreiben würde, müsste ich den Text hinterher schreddern, verbrennen und die Asche mit der nächsten Sonde zur Sonne schicken. Doch was war jetzt? Der war eine Wucht?
»Erklär mir das mal! Hast du nicht geheult wie ein Baby und dir die härtesten Kosenamen für ihn ausgedacht?«
»Das musst du verstehen Tony! Ich war damals verletzt und gekränkt. Irgendwie musste ich mir Luft machen. Aber so im Nachhinein betrachtet, er war einfach nur umwerfend!«
Er war einfach nur umwerfend. Noch so ein Kommentar und sie hätte wieder duschen müssen.
»Und jetzt lass mich raten. Du bist eifersüchtig auf Abigail, ja, oder ja?«
»Natürlich bin ich das. Ich mag aber Abi und ich finde auch, dass die zwei ganz gut zusammenpassen.«
»Die tun was? Herr Egoist und Gail? Wie kommst du auf das schmale Brett?«
»Ja klar! Alleine wie die zusammen aussehen. Wie füreinander gemacht!«
Also das ging gar nicht! Ich musste dringend das Thema wechseln und da mir nichts besseres einfiel, tat ich etwas ungewöhnliches.
»Wir hätten ja eigentlich die Nacht auch vögeln können!«
Ich konnte gar nicht glauben, dass ich das wirklich gesagt hatte. Doch Janine lachte.
»Wenn du nicht so besoffen gewesen wärst, wenn du nicht so viel gejammert und geheult hättest, wenn du nicht dauernd von Abi geredet und mich nach Roman gefragt hättest und wenn es ganz dunkel gewesen wäre, ja, dann hätte das passieren können!«
Eigentlich hätte mich das ja kränken müssen, aber ich hätte tanzen können. Zum ersten Mal, tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben, wurde es nicht kategorisch ausgeschlossen, mit mir intim zu werden. Vielleicht war Weihnachten ja doch noch nicht ganz verloren! Also, ich rechnete mir da keine Chancen aus, mit Janine intim zu werden, aber ihre Aussage tat mir gut.
Auch den Rest des Tages musste ich erkennen, es war toll mit ihr! Sie blieb einfach, wir redeten viel, scherzten, waren ein bisschen draussen und schauten fern. Auch kochten wir zusammen und die Krönung des Ganzen war, dass sie erneut über Nacht blieb. Nicht oben ohne und räumlich deutlich von mir in meinem Bett getrennt, aber sie bliebt und das, obwohl ich sie nicht darum angefleht hatte!
Nur zu gerne würde ich sagen, dass ich deshalb besser geschlafen hätte, doch es wäre nicht die Wahrheit. Ich träumte von Abigail, wie sie turtelnd mit Roman an der Theke sass, oder sie auf ihn zu ging, um ihn zu umarmen und zu küssen. Wie ihr Ring vom Licht angestrahlt wurde und funkelte. Aber ganz ehrlich, all diese Dinge machten mich nicht so fertig, wie eine ganz bestimmte Sache. Mir ging die Frage nicht aus dem Kopf, was wohl passiert wäre, wenn ich nicht krank geworden und nach Nikolaus in die Kneipe gegangen wäre. Hätte ich eine Chance gehabt?
Meine Augen flogen auf, als wären Gummibänder dran befestigt. Ich war komplett durchgeschwitzt und mein Herz raste. Über 20 Minuten lag ich so da und versuchte verzweifelt wieder einzuschlafen, hatte jedoch keine Chance. Ich brauchte Gewissheit und das sofort. Kurzerhand weckte ich Janine, die davon ganz und gar nicht begeistert war.
»Hör mal mein Freund, ich hab schon Leute für weniger umgebracht!«
»Ich weiss, aber es ist wichtig!«
»Na von mir aus. Wo drückt denn der Schuh!«
»Sei bitte ehrlich! Wenn ich nach Nikolaus in die Kneipe gekommen wäre, denkst du, ich hätte eine Chance bei Gail gehabt?«
Janine gähnte.
»Mach dich doch nicht verrückt! Abi mag dich, das bin ich mir sicher. Aber ob sie mit dir zusammengekommen wäre, keine Ahnung. Vielleicht, aber Roman hätte sie dir gleich wieder weggenommen.«
»Denkst du?«
»Was soll ich dir sagen? Roman ist doch eine ganz andere Liga! Da kannst du genauso wenig mithalten, wie ich bei Abi!«
Das tat weh. Vor allem, danach hatte ich sie gar nicht gefragt!
»Ich wollte eigentlich wissen, ob du wirklich denkst, dass Gail mich mag. Aber das da war schon deutlich!«
»Tony, die mag dich wirklich! Das hat sie schon mehr als einmal gesagt. Sei mir nicht böse, dass ich so direkt war. Ich bin müde und noch halb am schlafen!«
»Ist schon gut. Ich verstehe es aber nicht. Warum ist eigentlich das Aussehen so wichtig? Ich meine, ich bin doch ein guter Kerl, warum kriege ich nie eine Chance?«
Janine rollte sich zur Seite, damit sie mich anschauen konnte.
»Tony, was erwartest du? Erinnere dich mal an die Kleine, die vor einem Jahr manchmal bei uns war. Lieb, witzig, dick. Wem bist du immer nachgelaufen? Mir und den anderen, oder ihr? Sie wollte an einem Wochenende mit dir campen gehen, aber du bist lieber mit mir und den anderen unterwegs gewesen. Was soll also deine Frage? Du bist genauso oberflächlich, wie alle anderen!«
Autsch! Das tat weh, denn sie hatte Recht damit! Ich erinnerte mich an sie und eigentlich hatten wir uns wirklich gut verstanden, doch es zog mich tatsächlich mehr zu Janine und den anderen. Irgendwie tat das gleich doppelt weh!
»Ist ja schon richtig! Aber bescheuert ist es trotzdem!«
»Ich weiss, aber es ist eben so. Denkst du für mich ist es immer leicht?«
»Ist es nicht?«
»Nee, sicher nicht. Versetz dich doch mal in meine Lage. Dauernd hängen mir Typen am Arsch. Die wollen aber nicht die Zeit mit mir teilen, sondern mich nur knallen. Manchmal ist das ja schön, aber so auf Dauer?«
»Du glaub mir, ich wäre froh, wenn es so wäre! Immer nur abgelehnt werden ist nicht toll!«
»Ach komm, du bist doch bestimmt nicht immer abgelehnt worden!«
»Nein? Dann erklär mir mal, warum ich noch Jungfrau bin!«
Janine schaute mich ganz komisch an.
»Dein Ernst?«
»Jupp, mein Ernst!«
Sie schien nachzudenken. Als Pessimist dachte ich jedoch sofort, sie musste sich das Lachen verkneifen. Doch es kam anders!
»Okay, hör zu. Du hast Recht! Du bist ein super Typ, witzig und ich hab dich gerne um mich. Wenn du nach Weihnachten immer noch Jungfrau bist, dann klären wir es an Silvester. Du und ich. Wie klingt das?«
Wie das klang? Ich nickte und suchte ganz schnell das Örtchen. Wie ich es ja bereits sagte, wenn das Ding nie benutzt wird, ist die kleinste Aufmerksamkeit fatal und der Gedanke, mit Janine, ihrem wahnsinnigen Aussehen und diesen brutalen Brüsten mein erstes Mal zu haben, war einfach zu viel. Also, Hose wechseln!