Glück und Unglück

»Gail, ich kann jetzt nicht einfach gehen, dass wäre dir gegenüber nicht fair!«

Sie weinte zwar, aber wurde auch energisch!

»Tony! Es ist vorbei! Ob du jetzt zu Janine gehst, oder nicht! Geh jetzt! Wenn du fair sein willst, dann erfüllst du mir meinen Wunsch. Aber auch wenn nicht, ich will nicht, dass du hier bleibst!«

Das tat mir weh! Weil ich ihr weh getan hatte, weil ich Janine weh getan hatte und weil ich nicht wusste, was ich jetzt machen soll.

»Aber Gail!«

»Tony! Geh!«

Nun, zumindest wusste ich was ich tun soll. Ich zog mich an, packte mich in warme Klamotten und ging. Zuvor nahm ich Abigail jedoch noch einmal in den Arm, wohl wissend, dass es wahrscheinlich das letzte Mal war. Doch bevor ich ging, rief sie mir noch etwas nach.

»Falls du zu ihr gehst, schreib mir bitte wie es ausgegangen ist. Das würde mich freuen!«

Ich nickte, was sie zwar wahrscheinlich nicht sehen konnte, aber daran dachte ich in dem Moment nicht. Draussen, in meinem Auto, musste ich erst einmal durchatmen. Wollte Abigail wirklich, dass ich zu Janine gehe, oder sollte ich es besser lassen und ihr später schreiben, dass ich es nicht getan hatte? Vielleicht würde sie ihre Entscheidung dann rückgängig machen. Andererseits, ich war nun einmal in Janine verliebt und hatte die Chance, mit ihr zusammen zu kommen, was sie mit Sicherheit verdient hatte. Oh verdammt, so schwere Entscheidungen! Da war das Leben als Single ja doch irgendwie leichter.

Wenn ich mir aber in einer Sache bislang sicher war, dann dass Abigail ehrlich war. Was sie sagte stimmte bisher immer, also warum sollte sie mich ausgerechnet in diesem Punkt anlügen? Nun, es gab nur einen Weg, es herauszufinden!

Ich wusste, wo Janine ihren Frühsport absolvierte. Wir hatten darüber geredet und sie sich beklagt, wenn sie bei mir war würde sie den immer schwänzen. Also gut, hoffen, dass Abigail es ernst meint und mein Glück versuchen!

25 Minuten dauerte es, bis ich das Studio erreichte. An der Anmeldung wollte man mich jedoch nicht vorlassen, da der Zutritt zum Studio nur Mitgliedern gestattet war. Was blieb mir also anderes übrig? Ich musste mir eine Probemitgliedschaft ausstellen lassen, unterschrieb sie und dann endlich durfte ich rein.

Was ein verwinkelter Schuppen! Irgendwie hatte ich das Gefühl, der Laden war eigentlich nie dafür gedacht, so eine Einrichtung zu beherbergen. Janine zu finden war überhaupt nicht leicht und zu meiner Verzweiflung kam noch hinzu, dass hier sehr viele sehr attraktive Frauen in engen Sportoutfits trainierten.

Nachdem ich schliesslich eine Treppe nach unten, durch zwei verschiedene Säle und dann wieder eine Treppe hinauf gegangen war, fand ich die Frau, wegen der ich hier war. Janine stand vor einem Spiegel, hatte zwei kleine Hanteln in der Hand und trainierte anscheinend die Schultern. Aus dem Winkel, in welchem ich auf sie zu kam, konnte sie mich nicht sehen, was mir im ersten Moment auch ganz gut gefiel. Zudem war sie wunderschön. Ein pinker, hautenger Trainingsanzug zierte ihren Körper, dazu noch ihre Turnschuhe und schwarze Schweissbänder an den Handgelenken und ein rundes um den Kopf. Selbst ihr Pferdeschwanz hatte ein pinkes Haargummi und alles in allem sah sie so schön aus, dass mein Herz sofort schneller schlug. Mit Pudding in den Beinen ging ich auf sie zu.

»Janine?«

Sie liess fast die Hanteln fallen, als sie mich hörte und als sie mich ansah, war ich erschüttert. So traurig hatte ich sie noch nie gesehen und auch, dass ich nun hier war, schien sie nicht aufzuheitern.

»Was willst du hier?«

»Ich muss dich um Verzeihung bitten!«

Janine legte die Hanteln weg, nahm sich ein Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab.

»Um Verzeihung? Wofür?«

»Das ich so unsensibel war und nicht erkannt habe, was du für mich empfindest.«

»Schon gut Tony. Ich bin dir nicht böse. Eigentlich hatte ich mir alles nur ein bisschen anders vorgestellt. Aber, was soll ich machen? Gegen eine wie Abigail habe ich keine Chance!«

»Janine, ich wusste doch gar nicht, dass ich die Wahl habe! Gail stand auf einmal vor meiner Tür und bevor ich wusste, was da überhaupt passiert, waren wir irgendwie zusammen.«

Und sie wurde noch ein bisschen trauriger.

»Wie gesagt, ist schon okay Tony! Ist nicht das erste Mal, dass meine Liebe unerfüllt bleibt. Tut ein paar Tage weh, dann ist das schon wieder gut.«

Boah! War das eine Macke von den Frauen, so zurückhaltend zu sein? Erst Abigail mir ihrer Nummer und jetzt Janine? Dazu dann mich unwissenden Volltrottel dazwischen? Arschloch in der Mitte, oder wie?

»Aber Janine ich …«

»Tony, lass es doch einfach! Du bist mit Abi zusammen und ich wünsche …«

Ende mit der Spielerei! Wenn ich ihr schon mit Worten nicht beikam, dann mussten eben Taten sprechen! Mit allem an Mut, den ich in mir finden konnte, zog ich sie an mich ran und bevor sie irgendetwas sagen konnte, musste sie einen Kuss über sich ergehen lassen. Erst hielt sie sich zurück, aber wenn überhaupt dann nur für eine Sekunde. Dann gab sie ihren Widerstand auf und erwiderte meinen Kuss.

Vielleicht war es nur Einbildung, aber irgendwie machte mich dieser Kuss glücklicher, als alle Küsse zuvor mit Abigail. Das wurde noch intensiver, als sie mich in den Arm nahm und fest an sich presste. Auch dauerte es einen Moment, bis wir uns wieder lösten und ich ihr in die Augen schaute.

»Was war das denn Tony?«

»Wonach hat es sich denn angefühlt?«

»Aber, was ist mit Abi?«

»Nichts. Sie hat mir vorhin von eurem Gespräch erzählt und auch, dass du in mich verliebt bist. Dann hat sie mich gefragt, was ich für dich empfinde. Na ja, ich stehe hier, oder?«

»Du hast sie für mich verlassen?«

Ich wurde verlegen.

»Na ja, sie hat mich eher rausgeworfen und zu dir geschickt, als ich ihr keine Antwort geben konnte.«

Janine lachte kurz auf.

»So, so. Sie wirft dich raus und du rennst sofort zu mir.«

Oh verdammt! Warum war das so kompliziert?

»Nein, also, Janine, ich …«

»Halte die Klappe du Riesenbaby! Küss mich!«

Und wie ich das tat! Anschliessend wanderte ich noch mit ihr durch den Laden, damit sie ihr Training beenden konnte und nachdem sie geduscht hatte, ging es dann nachhause. Zu ihr, da sie sich umziehen wollte.

Dazu kam es aber nicht. Wir gingen zwar ins Schlafzimmer, sie hatte um meine Begleitung gebeten, doch kaum war sie bis auf die Unterwäsche ausgezogen, bekam ich einen mächtigen Schubser, segelte aufs Bett und sofort lag sie auf mir. Da gab es aber noch etwas zu klären.

»Heisst das, wir sind jetzt zusammen?«

»Wenn du das willst, dann ja.«

»Und ob ich das will Janine!«

Ihre Augen strahlten und sie wollte mich küssen. Ich hatte aber ein Versprechen gegeben und die Zeit war gekommen, es einzuhalten. Anstatt sie zu küssen, kramte ich nach meinem Handy.

»Was wird das?«

»Ich hab Gail versprochen ihr zu schreiben. Oder stört dich das?«

Sie rollte von mir runter und blieb in meinem Arm liegen.

»Nee. Mach nur.«

Ich schrieb Abigail, dass ich jetzt mit Janine zusammen war. Die Antwort dauerte nicht lange. Ich las sie und zeigte sie Janine.

»Cool! Freut mich! Heute Abend Kneipe?«

Janine schaute mich an.

»Wenn du willst, geh ruhig!«

»Und was ist mit dir? Wenn, dann gehst du mit!«

»Willst du das?«

»Bist du doof? Natürlich will ich das!«

Ich bekam einen Kuss. Aber nur ein Schmatzer auf die Lippen. Janine hatte so was im Blick, da bekam ich fast Angst.

»Tony, weisst du was gerade ist?«

Nun, ich hatte Janine im Arm. Die Frau, die ich wirklich liebte. Ansonsten fiel mir nichts ein.

»Nö?«

»Silvester Tony, Silvester!«

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